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Warum Cloud Gaming in Deutschland aktuell nur scheitern kann

Mit der gamescom in Köln und der IFA in Berlin haben wir jüngst zwei Messen erlebt, die uns ansatzweise zeigen konnte, was in Zukunft eventuell zum Standard wird. Für die Gaming-Branche ist Cloud Gaming ein mögliches Zukunftsszenario. In Deutschland können wir von derartige Möglichkeiten aber nur träumen.

Warum Cloud Gaming in Deutschland aktuell nur scheitern kann

Cloud Gaming kann für den Spieler einige Vorteile mit sich bringen, sofern es vernünftig funktioniert. Vor allem die Besitzer eines PCs müssen sich nicht in regelmäßigen Abständen neue Grafikkarten kaufen, um die neuesten Videospiele mit allen Features und Performancemöglichkeiten genießen zu können. Und auch der Kauf einer neuen Konsole alle fünf oder sechs Jahre würde überflüssig sein. Der Clou am Cloud Gaming ist nämlich, dass die eigene Hardware gar keine Rolle mehr spielt. Sämtliche Rechenprozesse finden in der Cloud statt – also auf irgendwelchen Servern, die beispielsweise in Frankfurt am Main stehen, während man sich selbst in München oder Berlin befindet. Die eigene Hardware fungiert lediglich als Ausgabegerät. In Echtzeit werden unsere Befehle, die wir mittels Controller, Maus oder durch bloße Gesten erteilen, an den Server übermittelt und dort entsprechend verarbeitet.

Ein weiterer Vorteil ist die kontinuierliche Aktualität des Videospieles. Denn in der Cloud wird die jeweilige Anwendung auf den neuesten Stand gehalten, sodass man sofort loslegen kann und nicht zunächst ein mehrere Gigabyte großes Update herunterladen muss. Da die Server zudem über eine enorme Rechenleistung verfügen können, sind gegebenenfalls völlig neue Möglichkeiten realisierbar. Daher argumentiert man in diesem Zusammenhang oft mit noch besseren Spielen.

Viele Unternehmen investieren

Dass dieses Verfahren in Zukunft zum Standard wird, daran glauben nicht nur vereinzelte Personen. Innerhalb der Videospielindustrie gibt es bereits zahlreiche Unternehmen, die in dieser Hinsicht eifrig entwickeln und testen. So wissen wir seit der E3 2018 offiziell, dass Electronic Arts einen umfangreichen Katalog in die Cloud bringen und über Origin anbieten möchte. Im Rahmen der Messe verkündete Ubisoft zudem vergleichbare Pläne. Und auch Google möchte in diesem Bereich mitmischen, wobei hier handfeste Informationen noch ausstehen. Dass Cloud Gaming aber nicht zwangsläufig Zukunftsmusik ist, verdeutlichen bereits präsente Beispiele wie Shield TV von Nvidia oder Liquidsky. Des Weiteren können die Besitzer einer PlayStation 4 ebenfalls auf ein Cloud-basiertes Spielen zurückgreifen. Denn der seit geraumer Zeit von Sony angebotene Service namens PlayStation Now spielt sich in den Wolken ab.

Was an dieser Stelle für den ein oder anderen interessant klingt, wird in Deutschland auch in den kommenden Jahren nicht in seiner voller Pracht realisierbar sein. Denn die Bundesrepublik weist ein gigantisches Defizit in der Infrastruktur auf. Wer auf Cloud Gaming zurückgreifen möchte, benötigt eine Internetverbindung, die einen schnellen Austausch von Daten ermöglicht. Mit einer durchschnittlichen Verbindungsgeschwindigkeit von 15,3 Mbit pro Sekunde belegt Deutschland im weltweiten Vergleich lediglich den 25. Platz (Stand 2017). Vor drei Jahren lagen wir noch auf Platz 22. Um diese magische Zahl von 15,3 Mbit/s besser einordnen zu können, kann man in den Norden schauen. Die skandinavischen Ländern weisen nämlich Geschwindigkeiten von über 20 Mbit pro Sekunde auf. Mit 23,5 Mbit/s führt Norwegen die Ländergruppe an und belegt zudem den zweiten Platz im weltweiten Ranking. Spitzenreiter Südkorea (28,6 Mbit/s) kann man aber nicht ansatzweise schlagen.

Ein Beispiel mit anderen Zahlen

Um mit diesen Zahl in eine greifbare Zahl umzurechnen, nehmen wir die Battlefield V Open Beta als Beispiel. Im PlayStation Store wird diese mit 11,48 Gigabyte angegeben. Wie viele Minuten benötigt man, um die Testphase herunterzuladen, wenn man tatsächlich 15,3 Mbit pro Sekunde nutzt? Wenn man 11,48 Gigabyte mit 1.024 multipliziert, erhält man 11.755,52 Megabyte. Als nächstes muss Megabit (Mbit) in Megabyte umgerechnet werden. Hierfür dividiert man 15,3 Mbit mit 8 und erhält somit 1,9125 Megabyte. Nun teilt man 11.755,52 durch 1,9125 und kommt auf ca. 6146,68 Sekunden. Lange Rede, kurzer Sinn: um die Beta spielen zu können, muss man zunächst einen 102,4 Minuten langen Download starten. In Südkorea benötigt man im Durchschnitt 54,8 Minuten.

Der Durchschnitt reicht nicht aus

Laut Emmanuel Freund, Gründer des französischen Unternehmens Blade, das ebenfalls eine bereits heute funktionierende Cloud Gaming Option anbietet, seien 10 Mbit pro Sekunde ausreichend, um den Dienst zu nutzen. Folglich würde Deutschland mit seinem durchschnittlichen Wert diese Bedingung erfüllen. Allerdings beziehen sich die 10 Mbit/s lediglich auf ein ruckelfreies Spielen in HD-Auflösung. Für Full-HD seien Geschwindigkeiten von 25 bis 50 MBit/s notwendig und wer die Angelegenheit in 4K erleben will, benötigt logischerweise eine noch schnellere Internetverbindung. Zudem legen Spieler heutzutage einen hohen Wert auf stabile Bildwiederholraten von 30 und immer häufiger von 60 Bilder pro Sekunde. Derartige Ansprüche benötigen extra Rechenleistung, was ebenfalls für besonders detailreiche Spielwelten oder actionreiche Gameplay-Einlagen zutrifft. Zusammenfassend ist es also äußerst fraglich, ob 15,3 Mbit pro Sekunde ausreichen werden.

Dass sich dieser Zustand in absehbarer Zeit ändern wird, ist ebenfalls äußerst fraglich. Die deutsche Infrastruktur des Internets besteht größtenteils aus Kupferkabeln, die nicht für hohe Geschwindigkeiten ausgelegt sind. Zwar arbeitet die Telekom gezielt an einem Verfahren namens Vectoring, das die Möglichkeiten des Kupferkabels steigert, Glasfaser wäre auf langer Sicht aber wohl die bessere Alternative. Hiermit sind nämlich Geschwindigkeiten von 1.000 Mbit pro Sekunde möglich. Glasfaserkabel kommen in Deutschland bereits zum Einsatz, allerdings meist nur bis zum Verteilerkasten. Die letzte Etappe, die sogenannte letzte Meile, wird größtenteils wieder über stellenweise 80 Jahre alte Kupferkabel abgewickelt. Wer sich selbst ein Bild von der privaten Breitbandverfügbarkeit machen möchte, kann einen Blick in den Breitbandatlas werfen.

Problematisch ist zudem die Tatsache, dass es hierzulande kaum einen Wettbewerb gibt, sodass die Anreize fehlen, gezielt zu investieren. Die Deutsche Telekom kann sich somit auf den bisherigen Stand der Dinge ausruhen und wird nicht von großen Konkurrenten bedrängt.

Deutschland als Entwicklungsbremse

In Deutschland sind allerdings durchaus mehrere Spieler in der Lage, bereits heute das Cloud Gaming problemlos und im vollem Umfang in Anspruch zu nehmen. Allerdings spiegelt der Durchschnittswert von 15,3 Mbit pro Sekunde den Durchschnitt der Bevölkerung wider und wie bereits zuvor erwähnt, ist diese Geschwindigkeit einfach zu gering. Global betrachtet stellt die deutsche Internetgeschwindigkeit ebenfalls ein Problem dar. Denn aktuell sind wir mit 4,687 Mrd. Dollar weltweit der fünftgrößte Absatzmarkt für Videospiele. Wenn ein folglich so wichtiger Markt nicht in der Lage ist, Cloud Gaming vollständig umzusetzen, konzentrieren sich die großen Unternehmen eher auf die bekannten Modelle und investieren weniger in dieses Verfahren. Wir könnten somit die weltweite Entwicklung ausbremsen.

Zusammenfassend lässt sich zweifellos darüber diskutieren, ob die Cloud wirklich die Zukunft der Videospiele darstellt. Es gibt nämlich auch einige Nachteile. Ob die Vorteile letztendlich überwiegen, muss sich daher erst noch zeigen. Das ist aber erst möglich, wenn wir hierzulande über eine passende Infrastruktur verfügen. Ein Ausbau ist also zwingend notwendig. Nur redet man leider seit Jahren darüber und wirklich viel scheint nicht passiert zu sein – zumindest spürt man es nicht.

 

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