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Der Tod in Videospielen

Er ist für uns ein ständiger Begleiter. Nicht nur im realen Leben, sondern auch in der virtuellen Welt. Immer und immer wieder verstirbt eine Spielfigur. Es kommt teils so häufig vor, dass es für uns vollkommen normal ist. So wie der Tod zum Leben dazugehört.

Tod in Videospielen bedeutet nicht gleichzeitig Tod in Videospielen. Auch kann man nicht den Tod mit dem Scheitern gleichsetzen. Und es betrifft nicht nur unsere eigene Spielfigur, welche verstirbt. Was ist etwa mit dem narrativen Tod in Videospielen? Der narrative Tod bezieht sich darauf, dass eine Spielfigur stirbt, die in der jeweiligen Geschichte eine gewisse Rolle eingenommen hat. Eine gewisse Rolle ist ein dehnbarer Begriff. Streng genommen gehören Feinde, deren Namen wir nicht einmal kennen, auch gewissermaßen zu der narrativen Komponente. Doch wir wollen uns hier auf Figuren beschränken, die einen ausreichenden Platz einnehmen in der Handlung. Ein Beispiel dafür – Achtung es wird in dem Artikel gespoilert – stellt „The Last of Us“ dar. Das Intro weist bereits einen narrativen Tod auf. Auch wenn diese Sequenz nur etwa 15 Minuten in Anspruch nimmt, so haben die Entwickler von Naughty Dog mit uns gespielt. Joels Tochter Sarah wuchs vielen bereits in diesen 15 Minuten sehr stark ans Herz. Das ist auch genau eine Zielkomponente der Entwickler gewesen. Ihr Tod ist uns in keiner Weise gleichgültig. Wir haben sie kaum gespielt mit unserem Controller. Doch im weiteren Verlauf der Handlung spielt sie eine wichtige Rolle. Trotz ihres frühen Todes. Der narrative Tod muss aber nicht unbedingt in uns ein solches Gefühl der Emotionalität auslösen. Man denke nur an die verschiedensten Endgegner, die es zu besiegen gilt. Auch sie können eine narrative Komponente repräsentieren. „The Walking Dead“ präsentiert auch narrative Komponenten des Todes. In der ersten Staffel des Videospiels verstirbt Lee auf tragische Weise. Bei einem Kampf mit einem Zombie wird er gebissen. Sein Schicksal ist somit besiegelt. Clementine, die er sehr früh im Spiel kennenlernt, ist in ihren jungen Jahren zu einer Handlung gezwungen, die von ihr alles abverlangt. Lee richtet an sie seinen letzten Wunsch, ihn zu erschießen, damit er sich nicht in ein solches Ding verwandeln muss. Und Clementine ihn nicht so ansehen muss, was er wird.

Der Tod als Scheitern ist eine weitere mögliche Dimension. Dieser Aspekt repräsentiert, dass eine bestimmte Stelle im Spiel für uns zu schwer war oder unser Charakter noch nicht so weit ist, diese zu betreten. Der Tod bedeutet dabei für uns auch Lernen. Beim nächsten Mal gehen wir an diese Situation vielleicht anders heran, versuchen eine andere Strategie. Oder wir glauben, dass wir bereits auf dem richtigen Pfad waren. Wir haben uns nur zu wenig konzentriert. „Dark Souls“ repräsentiert diese Schiene sehr gut. Herausforderndes Gameplay wartet auf den Spieler. Zu allem Überfluss kommt es auch noch dazu, dass bei dem Tod die bisher gesammelten Seelen wir nicht mehr besitzen. Wir müssen sie uns wieder beschaffen, an dem Ort unseres Scheiterns. Gelingt uns dies nicht und wir sterben erneut, so sind die Seelen endgültig weg. Scheitern muss sich aber nicht unbedingt durch den Tod ausdrücken. Bei Rennsimulationen kann das Scheitern bedeuten, dass man eine Rennstrecke nicht in der Zeit geschafft hat, sodass man seinen persönlichen Rekord gebrochen hat. Videospiele allerdings enthalten nicht zwingend den Tod. Manche Spiele kommen ohne ihn aus. Wir können quasi nicht sterben oder scheitern. David Cages „Detroit Become Human“ enthält natürlich den Tod. Wenn man allerdings von den vollmundigen Ankündigungen ausgehen kann, die Quantic Dream macht, dann läuft das Spiel konsequent weiter, ganz gleich was wir tun oder wie wir uns entscheiden. Scheitern können wir nicht in dem Sinne, dass das Spiel Game Over ankündigt beziehungsweise wir nochmals ab einer Stelle spielen müssen.

Natürlich ist auch zu bedenken, dass es die Sparte an Videospielen gibt, die den Tod an sich zum Thema machen oder ihn zumindest zu einem sehr elementaren Bestandteil konstruieren. „What Remains of Edith Finch“ versetzt uns in die Lage einer jungen Frau. Wir erkunden das alte Familienhaus und versuchen herauszufinden, was genau das Geheimnis unserer Familie ist. Es scheint nämlich fast so, als laste ein Fluch auf dieser Familie. Die Familienangehörigen im Stammbaum kommen auf teils tragische oder skurrile Weise ums Leben. Ist es ein Fluch oder vielleicht einfach nur Schicksal? Schließlich leben Millionen an Familien auf der Erde. Mittels der mathematischen Statistik ließe sich begründen, dass es unweigerlich irgendwo auf der Welt eine Familie geben muss, die nun einmal ein solch tragisches Schicksal zu verkraften hat. Das Ende des Spiels vermittelt dabei nochmals eine gewisse dramatische Tragweite, denn: in Wirklichkeit waren wir die gesamte Zeit nicht mit Edith unterwegs. Diese verstarb bei der Geburt ihres Kindes. Stattdessen legt ihr Sohn Blumen auf das Grab. Es stellt sich die Frage, ob auch er eines Tages von dem heimtückischen Schicksal überrannt werden wird.

Etwas, das der Mensch nicht gerne mag beziehungsweise zugibt, ist, wenn er über etwas die Kontrolle nicht besitzt. Wir haben keine Kontrolle über den Tod. Müssen tun wir gar nichts außer sterben. So könnte man es mehr oder weniger philosophisch formulieren. Freizügige Frauen, explizite Gewalt, offene Hasstiraden und Rassismus. Vieles ist nicht mehr tabuisiert oder war es vielleicht auch nie. Mit dem Tod ist das so eine Sache. Darüber sprechen tut man im Allgemeinen nicht gerne oder zumindest nur in ernster Weise. Was also im Hinblick auf Videospiele tun? Der Spieler dreht den Spieß um und listet den Tod aus. Indem er gewollt sich in den Tod stürzt beziehungsweise experimentiert, auf welche Arten man sterben kann, trickst man den Tod aus. Man will sterben und verdreht somit die Logik des eigentlichen Spielprinzips. Somit gibt es etwa zu dem Klassiker „Grand Theft Auto 5“ einige Videos auf YouTube, die skurrile Situationen aufzeigen, auf welche Weise man alles sterben kann. Mit zu der Komik können auch Bugs oder Glitches beitragen. Die Spielfigur fällt durch einen unsichtbaren Boden oder plötzlich spinnt die Steuerung und dadurch begeben wir uns mit unserer Figur unfreiwillig in große Gefahr.

Der Tod kann uns auch dadurch begrüßen, dass wir vor ihm weglaufen müssen im wahrsten Sinne des Wortes. Survival – Horror ist ein Genre, welches damit gerne glänzt, dass der Spieler den Controller fest umklammert hält und vor Angst keinen weiteren Schritt mehr sich traut. Problematisch wird diese Sache nur, wenn man zu oft scheitert beziehungsweise stirbt. Das stört nicht nur den Spielfluss, sondern kann auch für Frust sorgen. Wenn wir dieselbe Stelle schließlich zum fünften Male probieren, dann sind wir gerne so genervt, dass uns vollkommen egal ist, dass wir uns gerade in einem Survival – Horror – Spiel befinden. Uns ist auch egal, dass unsere Spielerfigur mit dem Leben fürchtet. Wir wollen doch einfach nur diese eine verdammte Situation nun endlich hinbekommen und da kann es sehr aufregen, wenn der Spieler nun zum fünften Male dieselbe Cutscene sieht, bevor es ans Eingemachte geht. Der Horror verliert dadurch unfreiwillig seine Wirkung. Deshalb bedienen sich die Entwickler einer Reihe von audiovisuellen psychologischen Tricks, um unser Gehirn möglichst effektiv in den Angstmodus zu versetzen. Der psychologische Horror glänzt nicht primär mit bloßen Jumpscares, sondern versucht teils durch bloße Geräusche eine angstvolle Atmosphäre zu erschaffen. Um dies zu erreichen, müssen die menschlichen Urängste und sein Unterbewusstsein angegriffen werden. Und dazu gehört für viele die Konfrontation mit dem Tod.

Warum also ziehen uns Horrorspiele so an? Indem wir die Geschichte und einzelne herausfordernde Situationen meistern, erweckt sich in uns  das Gefühl, dass wir die Kontrolle über unsere eigene Angst haben. Aus diesem Grund fühlt sich so mancher Gamer beim Abspann eines Videospiels so euphorisch. Videospiele als Literatur können in diesem Falle uns einen simulativen Raum bieten, indem wir bestimmte Verhaltensweisen erproben können, bevor wir sie in der sozialen Realität ausprobieren. Genauso lässt sich dieses Medium auch als eine Möglichkeit der psychischen Entlastung begreifen. Bei einer Gruppentherapie in der Psychologie etwa geht es auch darum, in einem geschützten Rahmen zu versuchen sich zu entfalten und soziale Interaktion zu den anderen Teilnehmern aufzubauen. Dabei kann es auch zu dem Thema Tod Gespräche geben oder durch Trauerbewältigung. „Shadow of the Colossus“, welches in diesen Tagen erschienen ist, ist ein Paradebeispiel, wenn es um das Eintauchen in eine andere, simulative Welt geht, in der der Spieler eine psychische Entlastung finden kann. Die Atmosphäre und gleichzeitige Stille zwischen den einzelnen Kolossen hat eine sehr meditative Wirkung auf uns im idealen Fall. Und für manche bedeutet der Tod in Videospielen womöglich mehr als nur ein Element des Mediums. Er beschäftigt sich bewusst oder unbewusst mit diesem elementaren Baustein des Lebens. Die Konfrontation mit dem Tod mag unschön sein, aber sie trifft jeden Menschen früher oder später. Die Frage ist nur, ob wir bereit dazu sind, uns mit ihm freiwillig zu befassen.

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